Ja, das war doch ein Wetterchen, bei dem Frühlingsgefühle geweckt werde können, am Samstag, den 09.02. anno 2008.
Die Sonne strahlte über dem Ruhrpott und es blies im Februar eine laue österliche Brise um die Häuser. Also erhob ich mich gegen 12.00 Uhr von meinem Krankenlager, auf dem ich mich von den Nachwehen des Kölner Karneval erholte, und machte mich auf den Weg ins altehrwürdige Bochumer Ruhrstadion, welches eines aktuellen Unsitte folgend derzeit Rewirpower-Arena heißt.
Um nicht wieder vor verschlossenem Gästeblock zu stehen, beeilte ich mich diesmal und war rechtzeitig da.
Mit Verwunderung musste ich die neuen Sicherhéitsbestimmungen über mich ergehen lassen - man/frau musste die Schuhe ausziehen, welche dann auf mögliche Inhaltsstoffe hin untersucht wurden. Gott sei Dank war es ja warm, so dass man sich nicht erkälten konnte. Allerdings verneinte der gutgelaunte Ordner meine Frage nach Gefahrenzulage oder Atemschutz für ihn und seine KollegInnen.
Also ich würde nicht die Stinkbotten von ein paar hundert Leuten nach was auch immer durchforsten wollen
Dann ging's auch schon los. Und immer, wenn Energie nach Bochum kommt, gibt es schnelle Tore.
Bevor alle so richtig warm waren und die Choreo der Energiefans vorbei war, hatte Herr Ipsa schon seinen Nüschel bei einer Ecke an den Ball gebracht und eingenetzt. "Wenn ich schon mal so frei zum Kopfball komme" schien er sich gesagt zu haben.
Die Tradition kroatischer Landsleute in Cottbus fortsetzend ("Was macht den da der Piplica?"), war es aber das falsche Tor
Das fing ja schon gut an, mein 0:0 Tip war schon Makulatur.
Es entwickelte sich in der Folge ein für beide Mannschaften typisches Spielchen, geprägt von Einsatzwillen aber beschränkten spielerischen Mitteln. Bochum zwar in meinen Augen nicht besser oder zwingender, aber zunächst einen Hauch direkter.
Bäume rissen beide nicht aus, also keimte allmählich Hoffnung, dass Energie die Bochumer erfolgreich einschläfern könne, um dann irgendwann erfolgreich als erste aufzuwachen und zurückzuschlagen.
Leider hielt dann die komplette Hintermannschaft kurz vor der Pause ein Nickerchen - und es stand 2:0 für die Gastgeber.
In mir kamen böse Erinnerungen an ein 2:5 an gleicher Stelle auf.
Doch dann spitzelte ein lieber, guter Bochumer Sportfreund in Erwartung des Pausenpfiffs den Ball etwas unkonzentriert im Mittelfeld herum, direkt einem Cottbuser in den Lauf (Rost??). Der hält praktisch nur seinen Schlappen hin, und der Ball fliegt in den Lauf der neuen Cottbuser Geheimwaffe. Papa-wie auch immer-los rennt alleine auf das Tor zu, und und und - versenkt eiskalt. Hat man auch nicht immer so schön gesehen bei den Cottbusern in letzter Zeit.
Na also, Pausenstimmung gerettet, noch ist Polen nicht verloren.
Und dann gehts auch schon weiter. Vielleicht bin ich etwas parteiisch, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Energie doch in der zweiten Halbzeit eindeutig die Mannschaft war, die zumindest Willen erkennen lies, hier noch was zu reissen.
Beim Vfl ging es meist nur noch über Flankenläufe auf der rechten Seite nach vorne, wärend ich so langsam in dem Cottbuser Ballzirkulieren einen hintergründigen Plan oder gar eine Strategie zu erkennen glaubte.
Doch dann passierte es, langer Ball durch den Strafraum (wars Ecke oder Freistoß? Ich weiß es nicht mehr!) und der Wandervogel Benjamin Auer stand goldrichtig am langen Pfosten und lochte ein. In Halbzeit 1 war er eigentlich nur durch mehrfache Schwächeanfälle im Cottbuser Strafraum mit anschließendem Händeringen in Richtung Schiri aufgefallen.
Und während 90 % des Stadions in hämmungslosen, völlig übertriebenen, kindischen Jubel ausbrach, die anderen 10% mit "Immer das Selbe" bzw. "Das kann doch nicht wahr sein"-Äusserungen die Köpfe schüttelnd in Gedanken schon mal wieder die Anreise nach St. Pauli oder Aachen für nächstes Jahr plante, der Stadionsprecher noch nicht den Torschützen vollständig herausgeschriehen hatte, da rannte der tolle Sportfreund Lastuvka den verdutzten Sportsfreund Maltritz über den Haufen und lies dabei den Ball elegant a la Tomislav nach vorne abprallen. Der Ervin schaute etwas verdutzt, entschied sich dann aber, gottlob, dazu, nicht weiter darüber nachzudenken, was das denn sollte, und schob einfach in die Mitte des leeren Tores.
Und nun? 10% des Stadions jetzt mit "JAAAAAAAAAAA"-, "TOOOOOOOOOOOOOR"- und immer noch mit "Das darf doch nicht waaaahr sein"-Äusserungen, wenn auch plötzlich mit manischer und nicht mehr depresiver Intonation; 90 % des Stadions seinerseits mit "Das geht doch wohl gar nicht"-, "Neeeh"- und "So eine Schei...e"-Rufen, fatalistischen "Toll gemacht"-Kommentaren und ersten Durchhalteparolen "Wir führen ja noch". Vom Stadionsprecher war erst mal gar nix zu hören.
Nun konnte bei Bochum nicht mal in Ansätzen mehr von palnvollem Spiel die Rede sein, während Angelov und Rost ein Hase-und-Igel-Spiel im Mittefeld aufzogen. Irgendwie waren sie immer schon da, wo entnervte VfLer den Ball hinspielten.
Und dann der Wahnsinn: TOOOOOOOR für Energie Cottbus. 3:3.
Wann hatte Energie den das letzte Mal einen zweimaligen Zweitorerückstand noch aufgeholt, muss irgendwann in Staffel C 2. DDR-Liga gewesen sein, oder?
10% des Stadion skandierten jetzt voll Zuversicht "AUSWÄRTSSIECH". Und tatsächlich schienen die Bochumer jetzt komplett zusammen zu brechen. Hilflose Schüsschen aus über 30 m und ängstliches Agieren (Blos nicht zu mir mit dem Ball, Jungs).
Aber plötzlich merkte man, dass bei Energie die Akkus wohl zwischenzeitlich überlastet waren. Denn auch hier lief nichts mehr bzgl. bedingungslosem Siegeswillen und Kampf Richtung Lastuvka.
Es bleib dann schließlich beim 3:3. Die Cottbuser Anhänger feierten als ob der Klassenerhalt besiegelt wäre, die anwesenden, eingeladenen NOKIAner rollten ihre Transparente ein, als ob sie ihre Jobs zum zweiten Male verloren hatten.
Auf dem Weg zum Bahnhof überholte ich eine kleine Familiengruppe; Papa, Sohn und Onkel. Der Sohn musste sich anhören: "Wenn Du mit Deiner Mannschaft (was ist eigentlich die kleinste Jugendmannschaft??) mal so ein Spiel ablieferst, mit zwei Toren führen und dann nich gewinnen, dann läufst Du nach hause. Das sage ich Dir."
Über meinen Einwand, dass der Kleine ja heute wohl auch zur heimatlichen Scholle laufen müsse, obwohl er keine Aktie an dem remis habe, konnte nur der Onkel lächeln. Papa und Söhnchen schauten mich grimmig an, und ich bog lieber in die nächste Straße ab.
In der S-Bahn war ich komischerweise der einzige, der irgendwie zufrieden dreinschaute. Machte also ca. 0,5 % der Insassen.