Autor Thema: Die lange Leitung der "Soko Rex"  (Gelesen 8139 mal)

Offline teammutante

  • Tresengast
  • ***
  • Beiträge: 79
Die lange Leitung der "Soko Rex"
« am: 08. November 2009, 15:54 »
218 Fotos, 16 Sonderermittler, null Erfolg: Die bisherige Bilanz der Sonderkommission Rex, die einen rechtsextremistischen Überfall auf Fußballfans in Sachsen aufklären soll, ist erschütternd. Telefonischer Kontakt zu den Beamten ist schwer herzustellen, ein wichtiger Zeuge wurde noch nicht befragt.

Fast könnte man darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Seit mehr als zehn Tagen ermittelt eine 16-köpfige Sonderkommission der sächsischen Polizei im "Fall Brandis". In der Stadt im sächsischen Landkreis Leipzig war es am 24. Oktober bei einem Bezirksliga-Spiel zwischen dem FSV Brandis und Roter Stern Leipzig zu schweren Ausschreitungen gekommen. Etwa 50 Neonazis hatten die Gästefans mit Eisenstangen und Holzlatten attackiert. Dabei waren drei Anhänger der als politisch links bekannten Roter-Stern-Fans verletzt worden, einer von ihnen schwer.

Während die Polizei zunächst den Vorwurf der RSL-Verantwortlichen, sie habe im Vorfeld Kenntnis von den Angriffen gehabt, bestritt, räumten die Sicherheitsbehörden drei Tage nach den Ausschreitungen Versäumnisse ein. Gleichzeitig wurde medienwirksam eine 16-köpfige Sonderkommission eingerichtet. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir die brutalen Schläger vom Wochenende ermitteln und ihrer gerechten Strafe zuführen", hatte der sächsische Landespolizeipräsident Bernd Merbitz damals gesagt.
Seitdem ist allerdings kein einziger Ermittlungserfolg bekannt geworden. SPIEGEL ONLINE machte den Test. Am Mittwoch habe ich versucht, die "Soko Rex" - so der Name der Sonderkommission - zu erreichen, um auf einen wichtigen Zeugen hinzuweisen. Dieser hatte SPIEGEL ONLINE Fotos vom Angriff zur Verfügung gestellt - insgesamt 218 Bilder. Beim Anruf in der Leipziger Polizeizentrale erfahre ich, dass die Leipziger Polizei nicht zuständig sei, sondern "die Kollegen in Grimma". Bei der Leipziger Polizei kennt man zwar den Namen der "Soko Rex", offenbar aber nicht ihre Durchwahl. "Die kann ich Ihnen nicht sagen, die weiß ich nicht", so der Beamte, der immerhin eine Zentralnummer weitergibt.

11.30 Uhr, Polizei Grimma: "Die sind wohl alle zu Tisch"

In der Polizeizentrale in Grimma dann ein ähnliches Bild. Drei Versuche, mich an die "Soko Rex" durchzustellen, enden in minutenlangen Zwangsaufenthalten in Warteschleifen. "Einen Moment bitte noch, das war wohl die falsche Nummer", so die Dame aus der Zentrale, bevor es wieder in die Schleife geht. "Da meldet sich keiner, die sind wohl alle zu Tisch." Um 11.30 Uhr? Nach zehn Minuten Warten nimmt dann doch noch jemand ab. "Hallo", meldet sich der Teilnehmer. "Guten Tag, Glindmeier, SPIEGEL ONLINE, bin ich da richtig bei der "Soko Rex"? "Nene, da sind Sie ganz falsch", antwortet der Beamte.

Ich äußere kurz meinen Unmut darüber, jetzt zwar jede Menge gemafreie Musik zu kennen, aber immer noch keinen Ansprechpartner am Telefon zu haben, "schließlich könnte ich ja ein wichtiger Zeuge sein." Darauf hat der Mann dann immerhin eine schnelle Antwort parat: "Sind Sie aber nicht!" Dann hat er doch noch ein Einsehen und holt einen Kollegen, der sich zumindest etwas besser auskennt: "Hallo, hören Sie? Wir können da nichts zu sagen, rufen Sie bitte bei der Staatsanwaltschaft in Leipzig an."

Der dortige Sprecher ist dagegen sofort im Bilde. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Zeugen dieses Vorfalls zu vernehmen", lautet die Antwort auf meine Frage, wie weit denn die Ermittlungen der "Soko Rex" fortgeschritten seien. Man stehe im ständigen Austausch mit der Polizeikommission, auch, "um die vorliegenden Lichtbilder auszuwerten", so der Sprecher. Die meisten dieser Bilder, die auch SPIEGEL ONLINE vorliegen, kamen von einem Fotografen, dessen Name nach Informationen von SPIEGEL ONLINE der "Soko Rex" bekannt sein soll. Bis heute hat sich allerdings weder Polizei noch Staatsanwaltschaft bei dem Zeugen gemeldet, der zudem kein Unerfahrener in Sachen Neonazi- und Antifa-Szene in der Region ist.

Angreifer in Internet-Blog längst identifiziert

Meine Frage, warum weder die 16-köpfige Sonderkommission noch die Staatsanwaltschaft mehr als zehn Tage nach dem Vorfall Kontakt zu dem Zeugen aufgenommen haben, kann der Sprecher nicht beantworten: "Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es ist aber beabsichtigt, an alle potentiellen Zeugen heranzutreten." Zudem verwies er auf den Zeugenaufruf der Polizei: "Wir haben eindringlich appelliert, dass Zeugen auf uns zugehen." Wenn man denn jemanden erreicht.

Obwohl der Staatsanwaltschaft nach Informationen von SPIEGEL ONLINE 35 bis 40 Zeugen namentlich bekannt sind, gibt es bislang keinen einzigen Erfolg. "Wir ermitteln gegen Unbekannt", so der Sprecher. Die Online-Gemeinde ist da allerdings bislang etwas erfolgreicher gewesen. In dem linken Internet-Blog indymedia haben sich zahlreiche Augenzeugen gemeldet und diverse Angreifer identifiziert - darunter einige NPD-Mitglieder aus der Region. "Man hat leider das Gefühl, dass das Polizei-Interesse, die Täter zu finden, relativ gering ist", so eine Sprecherin von Roter Stern Leipzig.